Startpunkt
Zielpunkt
Bushaltestelle "Traar Rathaus"
47802 Krefeld (Traar)
Parkplatz "P1 Mühlenstraße"
Moerser Benden 11
47441 Moers
Nachdem ich an der belebten Moerser Landstraße im Krefelder Stadtteil Traar aus dem Bus gestiegen war, entdeckte ich als erstes die Bäckerei. Und die verleitete mich dazu, den eigentlichen Wanderstart kurzfristig um eine Viertelstunde zu verschieben. Ein weiser Entschluss, denn im Gegensatz zu meinem leckeren Brötchen sollte die für Fußgänger äußerst unattraktive Kreisstraße, mit der die heutige Etappe beginnt, für deutlich weniger gute Laune sorgen.
Auf diesem ersten recht undankbaren Kilometer bringt man zugleich auch einen riesigen Golfplatz hinter sich. In Höhe der Elfrather Mühle ist das Schlimmste vorbei. Man verlässt kurz darauf die Straße, um über den schon wesentlich ruhigeren Bergackerweg in Richtung Elfrather See vorzustoßen. In nördlicher Richtung beginnt die Route seinem Ufer zu folgen, führt dabei aber zeitweise auch über eine sogenannte "funktionale Freifläche". Hier sollen sich - so vermittelt ein Schild die kühne Vision - nicht nur Fußgänger, Radfahrer, Jogger, Skater und Sonnenanbeter begegnen, sondern (und jetzt haltet Euch fest) "in gleichberechtigter Weise" auch freilaufende Hunde. Da wird ein hochfrequentiertes Sommerwochenende - da bin ich sicher - schnell zum Horrortrip.
Während ich versuchte, den unangenehmen Gedanken wieder abzuschütteln, zog sich der See dahin. Und kaum, dass er hinter dem Wanderer zurückzubleiben beginnt, wechselt man auch schon von Krefeld nach Moers. Es geht durch eine Wohnstraße des Ortsteils Vennikel und in den Lauersforter Wald hinein. Ein schnurgerader Hauptweg leitet den Wanderer durch die schattenspendenden Bäume, bevor sich auf der anderen Seite wieder die freie Landschaft öffnet.
Von einem asphaltierten Feldweg geht es nach einer Weile links ab, und damit beginnt der erste richtig idyllische Pfad. Er folgt dem Aubruchkanal, und ohne den Übergang zu bemerken, befindet man sich hier zeitweise bereits in Duisburg. An der Leutfeldstraße wird die Seite des kleinen Gewässers gewechselt, aber der urige Charakter bleibt erhalten.
Mit dem Schwafheimer Meer und einem Holzsteg, der eine wichtige Verbindung durch dieses eindrucksvolle Naturschutzgebiet herstellt und dabei auch den Niederrheinweg aufnimmt, näherte ich mich dem zweifellosen Höhepunkt des Tages. Ich kannte diesen Ort schon von einer früheren Tour, doch heute präsentierte sich der Steg, kaum dass ich ihn betreten hatte, in einem bemerkenswert schlechten Zustand. Unkraut wucherte durch das Holz, die Bohlen wirkten teilweise morsch oder fehlten an einzelnen Stellen bereits ganz.
Jetzt dämmerte mir auch, welchen Sinn die kurz zuvor passierte, allerdings weit offenstehende Absperrung eigentlich gehabt hätte. So musste ich tatsächlich erst das andere Ende des Steges erreichen, um dort vor einem fest installierten Absperrgitter zu stehen. Na klasse!, dachte ich. Doch jetzt umzukehren, wo die kritische Passage schon hinter mir lag, wäre mehr als albern gewesen. Also machte ich mich daran, das brusthohe Holzgeländer des Stegs zu überklettern, um auf der anderen Seite schließlich zu erfahren, dass der Steg bereits vor einem halben Jahr gesperrt wurde.
Rein offiziell rufe ich jetzt also: "Bloß! Nicht! Nachmachen!" Doch immerhin stand ich - zudem um ein kleines Abenteuer bereichert - nun an einem Punkt, von dem sich noch ein weiterer schöner Aussichtspunkt erreichen ließ. Jede Umleitung dagegen wäre auf Kosten dieses kleinen, aber einmaligen Abstechers gegangen, der nördlich des Krähenbuschs vom sogenannten "Schildbendweg" abzweigt und trotz zunehmenden Bewuchses immer noch eine tolle Sicht auf die eindrucksvolle Bruchlandschaft bietet.
Wie wichtig es war, dieses kleine Idyll noch mitzunehmen, erklärt sich schnell. Denn der Anspruch des Niederrheinwegs flacht von hier an spürbar ab. Man wird fast schnurgerade durch Schwafheim geleitet, und auch die anschließenden Feldwege bieten kein wirkliches Aha-Erlebnis mehr. Ich wanderte mich in Trance, und erst die Autobahnunterführung riss mich mit ihrem Lärm aus meinen Gedanken.
Hier weist das Wegelogo dann um eine riesige, aber schön angelegte Sportanlage herum, bevor man - als letztes großes Element des Niederrheinwegs - den weitläufigen Moerser Schlosspark betritt. Und plötzlich ist auch er wieder da: der Moersbach. Welcher mich, als ich den Rundweg an einem kalten Januartag zu laufen begann, schon auf meinen ersten Kilometern begleitete und jetzt - kurz vor dem Ziel - noch einmal in Erscheinung trat.
Ich setzte mich auf eine Bank, genoss die Szene, und ließ auch meine Erlebnisse auf dem Niederrheinweg noch einmal Revue passieren. Ja, so mein Fazit, er bedient sich unbestritten einer weitgehend gelungenen Route. Und bietet jedem, der den Niederrhein kennenlernen will, einen guten Einstieg.
Aber gemessen an der weit darüber hinausreichenden und umso vielseitigeren Region, die sich bis zum Reichswald im Norden, über die Niers-Region in den Naturpark von Maas, Schwalm und Nette im Westen, und bis ins Heinsberger Land samt des Selfkants im Süden erstreckt, kann er für jemanden wie mich, der am Niederrhein aufwuchs und mehr als 30 Jahre dort gelebt hat, das Gesamtbild dieser herrlichen Region am Ende nicht vollständig vermitteln.
Verwöhnt hat er mich dennoch - mit vielen Eindrücken, die manche Kindheitserinnerung in mir wiederbelebte. Auch hier im Moerser Schlosspark, dessen gepflegte Anlagen schon in den 1970er Jahren für meine Eltern und mich das Ziel schöner Familienausflüge gewesen sind. Bis auf ein einziges Mal danach - im Jahr 1986 - war ich seitdem nicht mehr hier. Und doch erkannte ich prompt jene Stelle wieder, die dank ihres guten Blickes auf den Stadtgraben - schon damals mit mir als kleiner Knirps davor - die Kulisse für ein Foto bot. Und hier saß ich nun wieder.
Instinktiv öffnete ich den Rucksack und baute mein Stativ auf. Denn wann würde ich wieder hier sein? Als mittlerweile Endfünfziger - und die Haare schon grau - erschien es mir plötzlich wichtig, genau diesen Moment, der mich mit meiner Kindheit verband, festzuhalten. Nicht, weil er symbolisch auch für den Abschluss von neun gelungenen Etappen auf dem Niederrheinweg hätte stehen können, sondern weil mir durch ihn vor allem ins Bewusstsein drang, wie unfassbar schnell die Zeit vergeht.
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